Kachelofen, sog. Figurenofen, bekannt als "Ofenbäuerin" oder "Annamirl"
Kachelofen, sog. Figurenofen, bekannt als "Ofenbäuerin" oder "Annamirl"
ÜbersichtDetaillierte InfosVerwendung
- InventarnummerÖMV/35876
- Objektart
- Beschreibung
Das wärmende Feuer im Herzen des Hauses
Der Verspieltheit des Rokoko im süddeutschen Raum verdanken wir die Ausformung von Kachelöfen zu speziellen Figuren oder gar Möbeln. Zu den wenigen erhaltenen Beispielen dieser ganz besonderen Mode der Hafnerkunst des späten 18. Jahrhunderts zählt der Figurenofen in Gestalt einer Mühlviertler Bäuerin.
Beschreibung:
Mit der Neukonzeption der Dauerausstellung des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien im Jahre 1994 gelangte ein einzigartiges Exponat in den mit "Ländlicher Stolz" betitelten Raum 24. Es handelt sich um eine vollplastische keramische Figur in Gestalt und Körpergröße einer Frau. Die Füße stecken in schwarzen Halbschuhen und die Waden sind mit weißen Strümpfen bedeckt. Die als "Annamirl" bekannte Figur trägt einen knielangen schwarzen "Leib(l)kittel", der Mieder und Rock vereint. Der barocken Vorstellung vom weiblichen Schönheitsideal entsprechend ist der Kittel an der Hüfte durch sogenannte "Lendenwülste" erweitert. Der gefältelte Rockteil ist vorne mit einer weißen Schürze bedeckt. Die Tracht wird durch ein grünes Mieder mit heller Schnürung und schwarzem kantigem Brusteinsatz vervollständigt. Die weiße Bluse hat einen schwarzen Stehkragen und trägt an den Bündchen der bauschigen Ärmel einen schwarzen Besatz. Ein schwarzes Tuch ist um den Hals verknotet, es bildet unter dem Kinn eine Masche, deren Enden im Brustlatz stecken. Die rechte Hand hält ein Taschentuch und stützt sich auf der Hüfte ab, die linke Hand ist erhoben und verharrt schützend vor dem auf dem Kopf getragenen geflochtenen und mit Obst gefüllten Henkelkorb. Den Kopf mit dem rotbackigen Gesicht bedeckt ein im Nacken gebundenes schwarzes Kopftuch.
Der Figurenofen hat die Gestalt einer Frau, in deren Bauch das Feuer brennt und deren Körper Wärme abgibt. Die Figur ist damit eine Metapher für das weibliche Wesen, der Inbegriff von Häuslichkeit und Herdwärme. Ausgestattet mit dem Attribut des gefüllten Obstkorbes ist "Annamirl" auch die allegorische Darstellung des "Herbstes" mit seinen fruchtbaren Erträgen.
Geschichte / Entstehung:
Der Figurenofen wird nach seiner Befeuerungstechnik "Hinterladerofen" genannt. Ein solcher wurde ursprünglich vom Nebenzimmer, zumeist dem Flur, aus befeuert. Die Frauenfigur erhebt sich über einer Eisenplatte, die in Höhe des unteren Kittelrandes angebracht ist und gleichzeitig den Boden des Feuerraumes bildet. Der Ofen besteht aus elf unterschiedlich geformten Keramikteilen, die in der sogenannten "Umschlag-" oder "Überschlagtechnik“ hergestellt wurden. Dabei wird ein Gerüst aus Tonstegen geschaffen und die Tonschichten werden darüber gelegt, sozusagen "umgeschlagen" oder "übergeschlagen". Der Ofen wird in einem Stück modelliert und vor dem Brand in Einzelteile zerschnitten. Erst beim Setzen werden diese wieder vereint.
Die Figur stammt aus dem nördlichen Oberösterreich und zwar aus dem Adamhaus (auch Attamhaus) in der Ortschaft Münzbach Nr. 9 im Bezirk Perg. In diesem Haus befand sich das Gasthaus Korninger, in dessen Tanzsaal im ersten Stock der Ofen stand. Die Gastwirtschaft war vermutlich nach einem Ortsbrand im Jahre 1766 neu errichtet worden. Entstehung und Einrichtung des Tanzsaals liefen höchstwahrscheinlich zeitlich und stilistisch parallel mit der Entwicklung der im Obergeschoß liegenden sogenannten guten Stube in oberösterreichischen Bauernhäusern. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts fanden dort die "Bauernmöbel" ihre repräsentative Aufstellung gemäß dem Wohnstil der ländlichen Elite und prägten die Volkskunst nachhaltig.
Nicht sicher ist, ob der Produzent ein ortsansässiger Hafner war, da die Herstellung von Fayencen spezieller technischer Kenntnisse bedarf.
Geschichte / Museum:
Im Jahre 1904 bekam der Kunsthistoriker und Keramikfachmann Alfred Walcher von Molthein die Nachricht vom abgetragenen Figurenofen einer "drallen Frauensperson" im Adamhause zu Münzbach. 1906 verkaufte der damalige Besitzer des Hauses, Sebastian Grillenberger, den Ofen an den Antiquitätenhändler Kogler in Enns. Laut Eintragung im Hauptinventar des Volkskundemuseums im Jahre 1917 stammt die Ofenbäuerin aus einer Widmung von Ernst Pollack, Textilindustrieller und kaiserlicher Rat in Wien. Albert Frank betitelt seinen Beitrag 1941 in der Wiener Zeitschrift für Volkskunde erstmals mit der Bezeichnung "Ofenbäuerin" und macht darin den lokalen Kosenamen "Annamirl" bekannt.
Geschichte / Leben / Kontext:
Mit dem beginnenden 18. Jahrhundert hielten Genreszenen aus dem ländlichen Milieu Einzug in die barocke Bilderwelt der Oberschicht. Figurenöfen aus Oberösterreich gelangten damals im süddeutschen Raum zu großer Beliebtheit.
"Annamirl" unterscheidet sich von den Vergleichsobjekten in Schlössern und Klöstern durch ihr derbes Aussehen fernab bürgerlicher und adeliger Schönheitsideale. Jenen entspricht eher die feine "Almfrau", ein Figurenofen im Oberösterreichischen Landesmuseum. Im Trachtensaal des Linzer Schlosses findet man auch mögliche Vorbilder für die Ofenbäuerin. Es handelt sich um lebensgroße Standfiguren, aus einem Holzbrett gesägt und bemalt. Die "Mühlviertlerin" zeigt das äußere Erscheinungsbild einer einfachen Bäuerin. Sie stammt aus dem Bezirk Rohrbach und wurde vom Sarleinsbacher Barockmaler Johann Philipp Ruckerbauer im Jahre 1729 gemalt.
Die Mode der keramischen Figurenöfen erreichte im Rokoko ihren Höhepunkt und verschwand kurz danach. Aus dem 19. Jahrhundert sind Figurenöfen aus Gusseisen erhalten.
Claudia Peschel-Wacha - Sammler:in
- Vorbesitzer:in
- Hersteller:in
- Entstehung
- Verwendung
- Material
- Technik
- AbmessungenH: 200 cm T: 86 cm
- Abbildung / Motiv
- ErwerbungsartSchenkung
- DokumentationFrank, Albert: Die Ofenbäuerin aus dem Mühlviertel. In: Wiener Zeitschrift für Volkskunde XLVI/1941, S 48-50.
Franz, Rosemarie: Der Kachelofen. Entstehung und kunstgeschichtliche Entwicklung vom Mittelalter bis zum Ausgang des Klassizismus. Graz 1969 (= Forschungen und Berichte des Kunsthistorischen Institutes der Universität Graz 1), Abb. 583.
Frauenbüro, Magistrat Wien (Hg.): MuSIEum. displaying: gender. Wien 2003, S. 98.
Genner, Laurenz: Dreihundert Jahre volkstümlicher Töpferkunst. Ein Besuch im Museum für Volkskunde. In: Arbeiter-Zeitung XXXVI. Jg./Nr. 123/4.5.1924, S. 9.
Peschel-Wacha, Claudia: "Annamirl" - ein Figurenofen aus dem Rokoko. In: Silvia Glaser (Hg.): Keramik im Spannungsfeld zwischen Handwerk und Kunst. Beiträge des 44. Internationalen Symposiums Keramikforschung im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, 19. bis 23. September 2011. Nürnberg 2015, S. 176-184.
Weimarck, Ann-Charlotte: Annamirl och njutningens ugn. Aspekter på "folkkonsten" och folkkonstforskningen i Europa (Annamirl and the Stove of Delight. With reference to "folk art" and "folk art" research in Europe). Åhus 1987.
Werfring, Johann: Sichel in der Sonne. In: Wiener Zeitung 19.11.2009.
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