Modell eines oberösterreichischen Vierkanthofes
Modell eines oberösterreichischen Vierkanthofes
ÜbersichtDetaillierte InfosVerwendung
- InventarnummerÖMV/41080
- Objektart
- Beschreibung
Oberösterreichische Bauernburg
Modell eines Vierkanthofes auf einer Bodenplatte montiert, die das leicht schräge Gelände imitiert. Beim Vierkanthof handelt es sich um einen geregelten Bauernhoftyp, bei dem die einzelnen Gebäudeteile (Wohntrakt, Scheune, Stall und Schuppen) um einen Innenhof angeordnet und von einem gemeinsamen Dach mit einheitlichem First bedeckt sind.
Beschreibung:
Das Modell ist aus Holz gefertigt, wobei die "gemauerten" Teile des Hofes aus Holzplatten bestehen, die übrigen Teile sind in Ständerbauweise errichtet und an der Außenseite senkrecht mit Brettern verschalt. Das Dach und das gesamte Obergeschoß sind abnehmbar und lassen dadurch den Grundriss und die Raumstruktur erkennen.
Der Wohntrakt zeigt einen durchgängigen Flur zum Innenhof. Rechts davon befinden sich die Küche mit einem großen Herd im Zentrum und hofseitig die große Stube mit dem Kachelofen. An die Küche schließen 2 Schlafzimmer an. Im rechten Winkel sind daran der Kuhstall und der Pferdestall angebaut. Sie nehmen den rechten Trakt des Innenhofes ein. Links vom Flur, von dem aus eine Stiege in das Obergeschoß führt, befinden sich zwei Vorratskammern und ein Raum mit dem großen Backofen und einem Kesselofen. Von hier erreicht man den Schweinestall. An ihn ist der Wagenschuppen angebaut, der gegen den Hof zu offen ist.
Die Scheune, die gegenüber dem Wohntrakt liegt, schließt den Hof ab. In der Mitte der Scheune befindet sich die durchgängige Tenne mit zwei großen Toren, links und rechts davon Heupansen. Die beiden Eckräume sind von der Rückseite ebenfalls durch große Tore zu erreichen. Über der Tenne ist der Raum bis zum Dach offen. Im Wohntrakt sind oberhalb der Küche die Selch mit einem großen Kamin, links und rechts des Flurs noch drei Schlafkammern situiert. Im Obergeschoß befindet sich auf der rechten Seite im gemauerten Eckraum außerdem noch der Schüttboden.
Die beiden seitlichen Paralleltrakte, deren Wände zum Innenhof hin mit Brettern verschalt sind, sind über dem Stall beziehungsweise über dem Schuppen durchgehend mit einem Boden versehen, der als Speicher dient. In diesen Teil gelangt man vom Innenhof über eine Stiege und einen außen gelegenen Gang, der quer zur Tenne verläuft. Unter der Stiege steht die Hundehütte. Das riesige Dach ist mit Bretterschindeln gedeckt. Entlang der Traufe zieht sich in der Bodenplatte eine Regenrinne. Vor dem Hauseingang steht ein Brunnen.
Die Wohnräume sind mit Miniaturmöbeln ausgestattet, wobei besonders die bemalten Bauernkästen hervorstechen.
Geschichte / Museum:
Zu diesem Objekt existiert ein Briefverkehr, aus dem die Genese der Entstehung und Erwerbung hervorgeht. Zur Komplettierung der bereits vorhandenen Sammlung an Bauernhausmodellen wandte sich der ehemalige Direktor des Volkskundemuseums Michael Haberlandt an die Künstlerin Gertrud Wimmer-Brunner in Wels mit der Bitte, einen geeigneten Vierkanthof ausfindig zu machen, um davon ein Modell anfertigen zu lassen. Eine erste Empfehlung scheint Haberlandt nicht entsprochen zu haben, denn 14 Tage später, am 19. Februar 1927, schreibt Gertrud Wimmer-Brunner: "Um Ihrem Wunsch nach einem alten typischen Hof gerecht werden zu können, erlaube ich mir den Vorschlag den Dopplerhof bei Lambach aufzunehmen und, nachdem er die ursprüngliche Einteilung nicht mehr besitzt, in den Plan die alte, echte Wohnraumeinteilung darzustellen." Diesem Schreiben legt Gertrud Brunner-Wimmer eine Abhandlung über das Dopplergut in Schußstatt bei, die vom Schuldirektor und Heimatforscher in Lambach, Albert Binna, verfasst wurde. Ob dieser Sendung auch bereits der idealisierte "Originalplan" beigefügt war, den der Bauzeichner Heitzinger aus Stadl-Paura erstellte, lässt sich nicht feststellen, jedenfalls bittet Frau Wimmer-Brunner Haberlandt am 24. Mai 1927 um Retournierung der Bauaufnahme zwecks Erstellung des Modells.
Am 4. Oktober 1927 erfolgt die Vollzugmeldung: "Das Bauernhaus ist fertig und ich kann wohl sagen, sehr hübsch ausgefallen." Allerdings muss Frau Wimmer-Brunner mit Bedauern mitteilen, dass sich der veranschlagte Preis verdoppelt habe. Die detaillierte Rechnung des Modellbauers Heinrich Muckenhuber, die dieser am 26. September 1927 ausstellte, mache nämlich 426,05 Schilling aus, und sie überlasse es daher dem Herrn Direktor, ob er das Modell zu diesem Preis ankaufen wolle. Wie aus dem abschriftlich vorhandenen Antwortschreiben der Direktion vom 6. Oktober hervorgeht, ist Haberlandt nur bereit, höchstens 300,- Schilling zu bezahlen. Prompt erfolgt am 9. Oktober 1927 die Nachricht von Frau Wimmer-Brunner, dass sie das Modell, das selbst von der Volkskunstexpertin Amelia Sarah Levetus bewundert worden war, bereits an Herrn Muckenhuber zurückgestellt habe. "Ein Handeln um den Preis", schreibt sie, "habe ich für aussichtslos gehalten. Das Modell war bis in das kleinste Detail sehr schön gearbeitet und mir ist von Herzen leid, daß das Museum nicht in der Lage war, es zu übernehmen." Sie habe jedoch in Wels einen Schnitzer ausfindig gemacht, der das Modell um 300,- Schilling anfertigen könne. Die Reaktion Haberlandts ist nicht bekannt. Am 12. April 1928 übersendet ihm Gertrud Wimmer-Brunner jedenfalls die Pläne mit dem Bedauern, dass der Auftrag wegen der übertriebenen Forderung nicht zustande gekommen sei.
Letztendlich dürften sich Michael Haberlandt und Gertrud Wimmer-Brunner doch noch geeinigt haben. Von Heinrich Muckenhuber liegt ein Schreiben vom 9. Oktober 1928 vor, in dem er den Versand des Vierkanthofes ankündigt und die Handhabung erklärt. Laut Lieferschein der Speditionsfirma R. Perl wurde der Empfang des Modells am 16. Oktober 1928 von der Museumsdirektion bestätigt.
Unter der Inventarnummer ÖMV/41.080 findet sich die Eintragung im Inventarbuch: "Modell eines Bauernhauses: Vierseithof aus der Gegend von Lambach (Originalpläne und Beschreibung vorhanden.) Ankauf um 300 Schilling + Verpackungskosten".
Unabhängig davon nimmt das im Maßstab 1 : 50 erbaute Modell des Vierkanthofes (im Inventar fälschlich als Vierseithof bezeichnet), das eine Rekonstruktion der ursprünglichen Form des Dopplergutes in Schußstatt in Lambach darstellt, mit seinen abnehmbaren Stockwerken und der minutiösen Einrichtung innerhalb der Sammlung des Museums eine hervorragende Stellung ein.
Das Vorbild des Modells in Schußstatt 8 in Lambach existiert immer noch als bauliches Zentrum einer modern erweiterten Hofanlage mit eigener Hofmolkerei und Hofladen. Seit 1995 setzt Familie Niedermair-Auer auf die Produktion von Milch und Milchprodukten wie Schulmilch, Joghurt, Topfen, Käse bis hin zu Eis. Mehr über den Toblerhof lesen sie hier.
Geschichte / Leben / Kontext:
Nach der Übersiedlung des Museums aus dem Börsegebäude in das Gartenpalais Schönborn ergab sich erstmals die Möglichkeit, die inzwischen beachtlich angewachsene Sammlung entsprechend präsentieren zu können. Laut Museumsführer aus dem Jahr 1919 befanden sich im Raum XV eine Reihe von Hausmodellen aus Niederösterreich und Oberösterreich, Salzburg, Nordtirol, ferner aus dem Böhmerwald, dem Egerland und Nordböhmen. Dazu kamen verschiedene typische Wirtschaftsbauten wie Mühlen, Scheunen, Getreidespeicher, Almhütten oder Modelle zur Dokumentation der textilen Hausindustrie aus dem Mühlviertel. Im Katalog aus dem Jahr 1930 findet sich nun auch das 1928 erworbene Modell eines oberösterreichischen Vierkanthofes.
Zum besseren Verständnis ergänzt Michael Haberlandt die Hausmodelle in der Ausstellung neben Plänen und Zeichnungen mit der Hausformenkarte von Österreich-Ungarn von Anton Dachler. Sie bildet das Ergebnis einer seit 1891 intensiv einsetzenden Bauernhausforschung, als deren großartiges Zeugnis das umfangreiche Tafelwerk über das "Bauernhaus in Österreich-Ungarn" des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins gilt. Michael Haberlandt und Anton Dachler verfassten dazu den erklärenden Begleitband.
Bekanntlich gehen die unmittelbaren Anregungen zur Beschäftigung mit dem Bauerhaus auf die Wiener Weltausstellung von 1873 zurück, auf der ein "ethnographisches Dorf", gleichsam ein erstes Freilichtmuseum, zu besichtigen war. Dank des Berichtes von Karl Julius Schröer über "Das Bauernhaus mit seiner Einrichtung und seinem Gerät" wissen wir darüber sehr gut Bescheid. Diesem Bericht ist zu entnehmen, dass es bei der Weltausstellung auch Hausmodelle zu sehen gab. Von da war der Weg in die Museen nicht mehr weit. Jedenfalls finden sich ab diesem Zeitpunkt in allen bedeutenden kulturwissenschaftlichen Museen Bauernhausmodelle zur Dokumentation der regionalen Bauernhaustypen und als Beispiel vorbildlicher Architektur im Sinne des Heimatschutzes. Es ist nicht verwunderlich, dass Michael Haberlandt, der mit allen Volkskundemuseen in Europa in regem wissenschaftlichen Austausch stand, diese Anregung ebenfalls rasch aufnahm und Hausmodelle zu erwerben begann.
Franz Grieshofer - Mitwirkende:r bei Herstellung
- Hersteller:in
- BeteiligtWimmer-Brunner, Gertrud [Mitwirkende:r bei Erwerb]
- Entstehung
- Material
- Technik
- AbmessungenH: 21 cm B: 54,5 cm T: 72,3 cm Bodenplatte: B: 74 cm T: 89 cm
- Abbildung / Motiv
- ErwerbungsartAnkauf
- DokumentationGrieshofer, Franz: Das Vierkanthof-Modell im Wiener Volkskundemuseum. Eine "endliche" Geschichte. In: Blickpunkte. Kulturzeitschrift Oberösterreich 46/Heft 3/1996, S. 18-23.
Grieshofer, Franz: Modelle im Museum. Die Sammlung des Österreichischen Museums für Volkskunde. In: Oliver Croy & Oliver Elser (Red.): Sondermodelle. Die 387 Häuser des Peter Fritz, Versicherungsbeamter aus Wien. Ostfildern-Ruit 2001 (= Kataloge des Österreichischen Museums für Volkskunde 77), S. 15-22.
Schuberth, Ottmar: Modelle alter Bauernhäuser. Anlage, Technik, Material. Mit Anleitungen zum Modellbau. München 1986, S. 146-147 (Nr. 205-206). - Weiterführende InformationenDachler, Anton: Karte der österreichischen Bauernhausformen. Mit Beigabe textlicher Erläuterungen. Wien 1909 (= Supplementheft der Zeitschrift für österreichische Volkskunde 6).
Dimt, Gunter: Bauernhöfe. Historische Gehöfte in Oberösterreich. Weitra 2009 (= Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich 21).
Haberlandt, Arthur: 60 Jahre vergleichende Bauernhausforschung im Rahmen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien LXXXII/1953, S. 22-32.
Lipp, Franz: Gertrud Wimmer-Brunner, Lambach, zum Gedenken. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde XXVI/1972, S. 218-220.
Österreichischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hg.): Das Bauernhaus in Österreich-Ungarn und in seinen Grenzgebieten. Atlas mit Textband von Anton Dachler und Michael Haberlandt. Wien, Dresden 1901-1906.
Schröer, Karl Julius: Das Bauernhaus mit seiner Einrichtung und seinem Geräthe. Gruppe XX. Wien 1874 (= Officieller Ausstellungs-Bericht herausgegeben durch die Generaldirektion der Weltausstellung 1873 51).
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