Schraubmedaille
Schraubmedaille
ÜbersichtDetaillierte InfosVerwendung
- InventarnummerÖMV/31167
- Objektart
- Beschreibung
Kleine Kostbarkeiten
Schraubtaler und Schraubmedaillen zeugen vom handwerklichen und künstlerischen Können der Augsburger Silberdreher und -medailleure. In die zweiteiligen Behältnisse konnten passende Bildchen eingelegt werden. Die Schraubmedaillen waren Erinnerungsstücke, die eigens für religiöse und politische Ereignisse oder lokale Sehenswürdigkeiten angefertigt wurden.
Beschreibung:
Die in Silber gegossene Schraubmedaille auf die Salzburger Emigration von 1731/32 stammt aus der Werkstatt des Augsburger Silberdrehers Abraham Remshard (1680-1754). Sie dürfte um 1732 hergestellt worden sein und stellt einen Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens dar. Die Metallhüllen zeigen auf der Vorderseite eine evangelische Emigrantengruppe aus Salzburg auf ihrem beschwerlichen Weg der Auswanderung. Im Strahlenkranz über Ihnen erscheint das Auge Gottes als Zeichen des göttlichen Schutzes. Am Rand ist die Inschrift "Gehe aus deinem Vatterland" in ein Band eingraviert. Die Rückseite zeigt den preußischen König Friedrich Wilhelm I. auf seinem erhöhten Thron sitzend, vor ihm wieder eine Gruppe Salzburger Protestanten. Hier lautet die Inschrift "Nach Preußen hat Gott euch gesandt".
Im Inneren befindet sich ein Bilderzyklus mit siebzehn runden, gleichgroßen Papierblättchen. Die kolorierten Umrissradierungen sind kreis- und kreuzförmig angeordnet und durch Papierstreifen miteinander verbunden. Dargestellt sind biblische Szenen und Stationen der Auswanderung der Salzburger, die wegen ihres evangelischen Glaubens ihre Heimat verlassen mussten.
In den Deckeln der Schraubmedaille befinden sich zwei Bilder mit Landkarten, welche die Herkunftsorte beziehungsweise die neuen Siedlungsgebiete der Exulanten in Ostpreußen (heute in Polen) zeigen.
Geschichte / Museum:
Die vorliegende Schraubmedaille wurde 1913 bei Antiquitätenhändler Bernhard Justitz in Wien angekauft. Alfred Walcher Ritter von Molthein schrieb daraufhin einführend in seinem 1914 publizierten Beitrag im 1. Band der "Werke der Volkskunst": "Der Direktion des Museums für österreichische Volkskunde gelang die Erwerbung eines tadellosen Exemplars der etwa 1732 entstandenen Salzburger Emigranten-Schraubtaler". Seit der Neueröffnung der Dauerausstellung 1994 werden die Schraubmedaille und eine Reproduktionen der Radierungen im Raum "Geschichte und Religion" gezeigt, der sich den Unterschieden im katholischen und protestantischen Mobiliar in ländlichen Gebieten Österreichs widmet.
Geschichte / Leben / Kontext:
Schraubmedaillen waren im 18. und 19. Jahrhundert ein beliebtes Produkt der Augsburger Medailleure und Kupferstecher. Im Gegensatz zu den Schraubtalern aus echten, umlaufenden Münzen wurden die Metallhülsen der Schraubmedaillen in Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis geschaffen. Diese waren größtenteils gegossen und boten innen mehr Platz zur Aufnahme von Bildzyklen. Der entscheidende Schritt den Schraubtaler durch die Schraubmedaille zu ersetzen, wird dem Augsburger Silberdreher Abraham Remshard (1680-1754) zugeschrieben.
Durch den Augsburger Religionsfrieden und den Westfälischen Frieden wurden die evangelischen Bewohner und Bewohnerinnen von Regionen mit katholischer Herrschaft wie den Habsburgern letztendlich zum Übertritt zum katholischen Glauben oder zur Auswanderung gezwungen: Evangelische Gottesdienste und die Schriften Luthers wurden verboten. Die Anhänger seiner Lehre durften darüber hinaus nicht mehr auf den Friedhöfen beerdigt werden, Ehen zwischen katholischen und evangelischen Partnern wurden für ungültig erklärt, die Fastengebote streng kontrolliert und die Ausübung eines Handwerks verboten. Wer seinen Glauben nicht im Geheimen weiterleben wollte und bereit war ein religiöses Doppelleben zu führen, der musste in evangelische Gebiete auswandern. Dabei kam es immer wieder zu brutalen Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen.
Die vorliegende Schraubmedaille und die darin eingelegten Radierungen erinnern an die Salzburger Exulanten. Die Vertreibung der evangelischen Bevölkerung Salzburgs in den Jahren 1731/32 erfolgte aufgrund des vom Salzburger Erzbischof Firmian 1731 erlassenen Emigrationspatents. Erste Betroffene waren die Besitzlosen, also Knechte und Mägde, die unvorbereitet und oft gewaltsam ihren Weg in eine ungewisse Zukunft antreten mussten. Vielfach durften sie ihre Kinder nicht mitnehmen. 1732 hatten die "Angesessenen" das Land zu verlassen. Durch das davor vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. unterzeichnete Einladungspatent, fand ein Großteil der Vertriebenen Aufnahme in Ostpreußen (heute in Polen liegend). Die Hauptroute führte dabei durch Augsburg, wo Kupferstecher und Medailleure das Ereignis festhielten. Trotz der wohlwollenden Aufnahme war es ein beschwerlicher Marsch, den viele nicht überlebten. In den neuen Gebieten fanden die Salzburger Landschaften und Lebensbedingungen vor, die so ganz anders waren, als die gewohnten Gebirgsgegenden. Aber hier konnten sie sich endlich offen zu ihrem lutherischen Glauben bekennen.
Nora Witzmann - Vorbesitzer:in
- Hersteller:in
- Entstehung
- Material
- Technik
- AbmessungenD Medaille: 4,5 cm D Radierung: ca. 3,5 bis 4 cm
- Abbildung / Motiv
- Abgebildete Person
- Assoziation
- Inschrift / AufschriftVS: Gehe aus deinem Vatterland
RS: Nach Preussen hat euch Gott gesandt - ErwerbungsartAnkauf
- DokumentationWalcher Ritter von Molthein, Alfred: Ein Schraubtaler der Salzburger Exulanten. In: Michael Haberlandt (Hg.): Werke der Volkskunst, Bd 1. Wien 1914, S. 45-48 und Tafel XIII, Fig. 1-5.
- Weiterführende InformationenFörschner, Gisela: Kleinkunst in Silber. Schraubtaler und Schraub-Medaillen, eine Ausstellung des Münzkabinetts. Frankfurt am Main 1978 (= Kleine Schriften des Historischen Museums Frankfurt am Main, 10).
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