Beiträge

Mappe "Typen der Landesfuhrwerke der Österreichisch-Ungarischen Monarchie aus der Internationalen Ausstellung für Volksernährung, Armeeverpflegung, Rettungswesen und Verkehrsmittel ", Wien 1894, pos/108/000 Volkskundemuseum Wien, CC PDM 1.0

Marianne Strobl (1865–1917)

Eine Pionierin der Industriefotografie in der k. u. k. Monarchie und ihr erster Großauftrag 1894

 



Ihren ersten Großauftrag erhielt die Fotografin Marianne Strobl 1894. Sie dokumentierte 90 Wägen, die von 20. April bis 1. Juli 1894 in der Wiener Rotunde im Rahmen der vom Verein zur Verbreitung landwirtschaftlicher Kenntnisse veranstalteten "Internationalen Ausstellung für Volksernährung, Armeeverpflegung, Rettungswesen und Verkehrsmittel" gezeigt wurden. Die auf Schmuckkartons montierten Albuminabzüge präsentierte sie in einem Mappenwerk zusammen mit einem von Étienne und Constantin Hagyi Ristić verfassten ausführlichen Spezialkatalog, der die Beschaffenheit, Verwendung, Nützlichkeit und Anzahl aller Fuhrwerke erläuterte. Dafür interessierte sich besonders die Militärbehörde für den Fall einer Mobilmachung. Auffallend ist der Dokumentationscharakter der Aufnahmen. So wurden die Wägen vor neutralem Hintergrund aufgestellt und jeder Aufnahme wurde ein am Boden zwischen Vorder- und Hinterrad liegender Maßstab beigefügt. Einige Wägen wurden auch in zur Seite geneigtem Zustand fotografiert, so dass die Konstruktion des Unterbaus sichtbar ist.

Aber wer war Marianne Strobl?

Marianne Strobl wurde am 24. Februar 1865 als Marie Nentwich in Würbenthal in Österreichisch Schlesien geboren. 1891 heiratete sie den Vermessungstechniker Josef Strobl, der Mitglied im "Club der Wiener Amateur-Photographen" war. Vermutlich erhielt sie über ihren Mann Zugang zu diesem exklusiven Club und konnte sich dort die notwenigen Kenntnisse im Umgang mit dem Fotoapparat und in der Dunkelkammer aneignen. Zugang zu der 1888 gegründeten "K. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproductionsverfahren in Wien" war Frauen erst ab 1908 möglich.

1894 meldete Marianne Strobl ihr Fotografengewerbe unter der Adresse Müllnergasse 33 im 9. Wiener Bezirk an. 1896 verlegte sie ihr Atelier in den 2. Wiener Bezirk, ab 1897 als "Kunst-Anstalt für Fotografie" an der Adresse Halmgasse 3. 1905 wurde Strobl Mitglied der "Genossenschaft der Photographen in Wien".

Die Zeit, in der Marianne Strobl lebte, war geprägt vom Fortschritt in Technik und Industrie, vom Ausbau des Eisenbahnnetzes und der Errichtung von Fabriken, Brücken, Kanalanlagen und Eisenkonstruktionen. Das war für sie der Anstoß, sich von Anfang an auf die Dokumentation derartiger Projekte in den Bereichen Städtebau und Industrieanlagen zu spezialisieren. Das Fotografieren von Großbaustellen bedeutete damals, mit einer hölzernen Großformatkamera, einem Stativ und schweren Glasplatten in unwegsamen Gelände unterwegs zu sein und Regie über alle zumeist männlichen Arbeiter vor Ort zu führen. Diese Spezialisierung war Strobls Strategie, um auf dem extrem umkämpften Wiener Fotografie-Markt konkurrieren zu können. Laut Firmenstempel nannte sie sich "Industrie-Photograph" und zeichnete ihre Fotografien mit dem Schriftzug "M. Strobl", zumeist in Rot.

Schließlich etablierte sich Marianne Strobl auch als Expertin für Blitzlicht-Fotografie. So begleitete sie 1901 gemeinsam mit ihrem Mann, der geodätische Vermessungen durchführte, eine Expedition in die Ötscherhöhlen in Niederösterreich. So entstanden nie zuvor gesehene Aufnahmen vom Berginneren.

Strobls Fotografien wurden als Mappenwerke, in Firmenkatalogen und zahlreichen Fachzeitschriften, aber auch als Ansichtskarten, z. B. von Schiffen der "Ersten Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft" DDSG, veröffentlicht und verbreitet. Sie gilt als erste Industriefotografin der k. u. k. Monarchie, die ihre Aufträge sachlich und in brillanter Technik mit erstaunlicher Tiefenschärfe ausgeführt hat.

Sie starb am 13. Februar 1917 in Wien.

Die Mappe "Typen der Landesfuhrwerke der Österr.-Ungar. Monarchie aus der Internationalen Ausstellung für Volksernährung, Armeeverpflegung, Rettungswesen und Verkehrsmittel", die sich in der Fotosammlung des Volkskundemuseum Wien befindet, können Sie hier erkunden.


Elisabeth Egger