Die Sammlung Krpata umfasst an die 540 ethnografische Objekte, die in den Jahren 1988 bis 1993 in Zypern gesammelt wurden. Der Auftrag dazu kam aus dem Ethnographischen Museum Schloss Kittsee. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die Sammlung Ohnefalsch-Richter, die sich seit den 1970er-Jahren im regional dafür zuständigen Museum – Kittsee war auf die Länder Ost- und Südosteuropas fokussiert – befand. Sie war im Jahr 1890 in die Anthropologisch-Ethnographische Abteilung das Naturhistorischen Museums gelangt und von deren Nachfolgeinstitution, dem Museum für Völkerkunde (heute Weltmuseum Wien) als Dauerleihgabe transferiert worden [1]. Deren Sammler Max Ohnefalsch-Richter[2] hatte sich während seines zwölfjährigen Zypernaufenthaltes der Erforschung der Vor- und Frühgeschichte der Insel verschrieben. In ihr wurzelt auch sein Zugang zur materiellen Kultur seiner Zeit, der er wenig eigenständige Bedeutung beimaß. Durch Übereinstimmung formaler Kriterien in einer Gegenüberstellung von Einst und Jetzt wurde sie aufgewertet und für sammelwürdig erklärt. Trotz dieser Einseitigkeit im Zugang ist es zu bedauern, dass sein detailliert ausgearbeitetes Sammelprogramm[3], mit dem er sich an verschiedene Museen gewandt hatte, nicht auf Interesse stieß. Indirekt hat er nun aber durch seine kleine, auch als Appetizer auf einen projektierten Sammelauftrag zu verstehende Sammlung, zum Ausbau der Zypernbestände beigetragen. Der hundert Jahre später erteilte Sammelauftrag war ein frei zu gestaltender, der Umfang der dafür zur Verfügung stehenden Budgetmittel, die nach und nach ausgeschüttet wurden, nicht von vornherein festgelegt.
Erste Kontakte der Sammlerin mit der materiellen Kultur Zyperns hatte es zunächst in Österreich gegeben. Da war einerseits die erwähnte Sammlung und die vom Ehepaar Ohnefalsch-Richter gemeinsam verfasste, 1913 erschienene Monografie Griechische Sitten und Gebräuche auf Cypern, ein Standardwerk der Zypriologie.[4] Vorwiegend unter dem oben angeführten Postulat wird der Volkskunde Zyperns viel Raum gegeben. Auch wenn der Zugang der Sammlerin ein gänzlich anderer war und ist, so weckte dieses Werk Neugier am Jetzt wiederholt konkret angesprochener Objekte. Die immer wieder zur Untermauerung seiner Thesen herangezogenen, weitverbreiteten Kalebassen und flachen Körbe, typisch für Zypern, wären jedenfalls gesammelt worden.[5] Doch wäre beispielsweise der Hirtenstabaufsatz überhaupt als solcher wahrgenommen und folglich gekauft worden, wäre dieser nicht durch die Publikationen Ohnefalsch-Richters hinlänglich bekannt gewesen?[6]
Die zweite einflussnehmende Veröffentlichung war die von Rudolf Kriss und Hubert Kriss-Heinrich über das religiöse Volksleben auf Zypern.[7] Die beiden Forscher hatte Anfang der 1960er-Jahre in Zypern eine Sammlung von Weihgaben angelegt, die in dieser Publikation vorgestellt wird. Die Verarbeitung von Wachs und die daraus hergestellten Votive und deren Einzigartigkeit im Raum der griechischen Orthodoxie übten eine eigenartige Anziehung auf die Ethnologin aus. Während der Zypernaufenthalte sind Wachsobjekte in mehreren Kerzenziehereien in Nikosia und Limassol erworben worden.
Persönliche Kompetenzen wirken sich auf die Ausrichtung einer Sammlung ebenso aus wie landestypische Verhältnisse. In Zypern war damals politisch bedingt die Bewegungsfreiheit enorm eingeschränkt. Während des Sammelzeitraumes war es, von einigen Ausnahmen abgesehen, fast unmöglich, die Demarkationslinie, die den seit 1974 besetzten Norden vom Süden der Republik bis heute trennt, zu passieren. Durch eine Botschaftsangestellte war ein einziger, mehrstündiger Aufenthalt im Norden der Insel möglich geworden, der selbstverständlich auch zum Erwerb ethnografischer Objekte genutzt wurde. Persönliche Begegnungen mit türkischen Zypriotinnen bzw. Zyprioten in Zypern – bis dahin bestand nur schriftlicher Kontakt – waren nach Öffnung der ersten Checkpoints in Nikosia im Jahr 2003 möglich. Weitere determinierende Faktoren waren der schlecht ausgebaute öffentliche Verkehr und die von der Post festgelegten Höchstmaße und Gewichtsbeschränkungen für Pakete. Bis zur Versendung der Objekte stand für deren Aufbewahrung ein eigener Raum zur Verfügung. Bezeichnenderweise wurde er von den Mitbewohnern Museum (mouseion) genannt.
Bei der Auswahl der Ethnografika war es ein zentrales Anliegen, sogenannte Typen möglichst groß aufzufächern und nicht allein als Schaustücke prädestinierte Objekte zu erwerben, um Repräsentativitätseinbußen in Bezug auf das Erscheinungsbild der tatsächlichen Alltagskultur zu vermeiden. Unbedingt sollten Gegenstände, die die Tradition mit neuen Materialien und Techniken weiterschreiben, Berücksichtigung finden. So gelangten beispielsweise von den Lefkara-Spitzen nicht nur handgefertigte Exemplare in die Sammlung, sondern auch nach deren Vorbild bedruckte und maschinell bestickte Textilien. Ein weiteres Beispiel für diesen Zugang illustrieren die Kalebassen: sie sind von den bereits benutzten, ausgepichten, über unterschiedlichst dekorierte bis hin zu in Kalebassenform erzeugten Flaschen aus Keramik und Kunststoff repräsentiert. Die bei Produzentinnen bzw. Produzenten und Händlerinnen bzw. Händlern erworbenen Objekte wurden durch Einkäufe und Bestellungen beim Cyprus Handicraft Centre, einer staatlichen Einrichtung, ergänzt. Die dort angebotenen Objekte sind von herausragender Qualität und haben den Weg auch in andere Museumssammlungen außerhalb Zyperns gefunden.[8] Einer der wiederholt besuchten Altwarenhändler in Mosfiloti bot Tausende von ethnografischen Objekten zum Kauf an, die er auf einem großen Feld, im Freien und unter Dach, zusammengetragen hatte. Diese riesige Ansammlung war für Käuferinnen bzw. Käufer genauso interessant wie für recherchierende Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler aus dem In- und Ausland.[9]
Interessant war die wiederholt gemachte Erfahrung, wie leicht durch das bloße Auftreten als potentielle Käuferin die (extrinsische) Information und/oder das Objekt (intrinsisch) verfälscht werden können. Allein das Bestreben, Hintergrundinformationen zum Objekt zu erhalten, kann Verkäuferinnen bzw. Verkäufer fallweise dazu veranlassen, durch entsprechende Kommentierung oder konkrete Arbeitsschritte die Objekte im Hinblick auf die (präsumptiven) Erwartungen der Käuferin bzw. des Käufers zu adaptieren. Importierte Gegenstände wurden als genuin zypriotische präsentiert, maschinell Produziertes als Handarbeit angepriesen, Objekte rückdatiert, Fremdes als persönlich produziert angeboten etc.
1997 wurden die beiden Sammlungen Krpata und Ohnefalsch-Richter im Ethnographischen Museum Schloss Kittsee in der Sonderausstellung Das Blatt im Meer – Zypern in österreichischen Sammlungen erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in einer Begleitpublikation Aspekte der vielfältigen Beziehungen zwischen Zypern und Österreich dargelegt.[10] (Zur Erinnerung: Wir befanden uns damals noch in einer überwiegend analogen Welt.) Mit der Schließung der Außenstelle in Kittsee 2008 gelangte die Sammlung in die Zuständigkeit des Museums für Volkskunde in Wien.
2020 kam es im Rahmen eines mit Geldern aus der Museumsförderung unterstützen Projekts erneut zu einer intensiven Beschäftigung mit der an die 30 Jahre zuvor angelegten Sammlung. Für diese konnten die zahlreichen, seit damals vor allem seitens der griechischen ZypriotInnen erschienen, fachspezifischen Publikationen genutzt werden. Zudem bot das Internet 1997 noch unvorstellbare Möglichkeiten der Recherche und Kontaktaufnahme. Im Haus wurden insbesondere die Textilien einer genaueren Betrachtung zur Identifizierung der Materialien und Webtechniken unterzogen. Dabei gab es Überraschungen, stellte sich doch heraus, dass die Materialangaben der Händlerinnen bzw. Händler und Produzentinnen bzw. Produzenten in einigen Fällen falsch waren.
Neu erschlossen, mit Verweisen auf die Fachliteratur, online zugängliche Museumssammlungen, Fotografien und Filmmaterial, angereichert mit Fotografien und Ansichtskarten der Sammlerin geht die Sammlung im September 2020 online. Gemeinsam mit der Sammlung Ohnefalsch-Richter ist sie die umfangreichste Sammlung zypriotischer Ethnografika Kontinentaleuropas. Die ortsunabhängig nutzbare Forschungsplattform ist auch in der Qualität der Erschließung und Präsentation bislang einzigartig. Gleichzeitig verleiht sie dem kleinsten und abgelegensten EU-Mitgliedsstaat mehr Präsenz.
Abschließend soll auf die beiden Publikationen zur Geschichte des Sammelns und Ausstellens zypriotischer Ethnografika und zur Entwicklung ethnologischer Forschung in Zypern verwiesen werden. [11]
Autochthone Bezeichnungen und deren Übertragung
Danksagung:
Viele Personen haben zum Gelingen dieses Projektes beigetragen. An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die mit mir Objekte diskutiert, Personen identifiziert und vor allem bei den vielen sprachlichen Fragestellungen weitergeholfen haben: Lambros Achniotis, Tuncer Bağışkan, Ahmet Cavit An, Charalambos Chotzakoglou, Azem Faiz, Sevi Gialamatzaki, Kadir Kaba, Orhan Kabataş, Eleni Lambrou, George Mesaritis, Paschalis Papapetrou, Evi Psaltidi, Froso Rizopoulou-Igoumenidou, Aycan Saraçoğlu, Elena Theodorou Neururer, Giannis Violaris und Dorothee Zimmer-Geçici.
Margit Z Krpata
Dieses Projekt wurde mit Gelder aus der Museumsförderung des Bundeskanzleramts gefördert.
Konzept und Texte: Margit Z Krpata
Objektvorbereitung: Monika Maislinger, Barbara Varga
Objektfotografie: Christa Knott, Maria Raid, Barbara Varga
Lektorat: Elisabeth Egger, Monika Habersohn, Petra Simon
Webpräsentation: Elisabeth Egger, Maria Raid
September 2020